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Troisdorf
Montag 20. Mai 2024

Ein Haus mit turbulenter Geschichte mitten in Spich

Viele Anwohner und die hastig Durchreisenden erkennen das mit rötlichen Steinen errichtete, durchaus stattliche Anwesen inmitten von Spich, aber was sich da im Laufe der Jahrhunderte alles ereignet hat, das wissen oder ahnen nur wenige.

Haus Spich: Früher Römer, heute italienische Automobile

Für römische Legionäre, Horden von Germanen, Soldaten vieler Nationen, aber auch Kirchenmänner aller Konfessionen war die frühere Burg und das spätere Haus Spich immer ein begehrter Anlaufpunkt und wohlfeiler Versammlungsort. Und lag immer schon an einer breiten Straße – der via Agrippina. Heute heißt sie profan Hauptstraße. Doch früher – um Christi Geburt herum – war sie eine römischeVerbindung (Limes) und eine – wie bei den Römern üblich – fünflagig aufgebaute Straße, die zwischen Colonia Ara Agrippinensium und Bonna und damit am damaligen Wachturm spicio und dem gleichnamigen Ort vorbei führte.

Von der Via Agrippina bis Hauptstraße

Ab dem Mittelalter wurde die Straße dann Chaussee nach Frankfurt getauft. Ab etwa 1890 war sie volkstümlich die Frankfurter Chaussee. Vor 1.000 Jahren führte sie an der Burg Spich vorbei, seit 1531 heißt das historische Gemäuer Haus Spich. Das "Freiadlige Rittergut", dass im 30-jährigen Krieg zerstört wurde, ist im Grunde viel geschichtsträchtiger als manch anderes Gemäuer in Troisdorf. Vielleicht liegt das eher mäßige historische Verständnis für Spich oder Spica daran, dass der Ortsteil erst 1969 im Zuge der Kommunalreform in die Stadt Troisdorf eingegliedert wurde. Schriften des Heimat- und Geschichtsvereins Troisdorf und Geschichtsschreiber wie der unvergessene Matthias Dederichs haben vieles über das Haus Spich zusammen getragen.

Winterquartier für die Tiere vom Circus Roncalli

Das Gemäuer stand von 1989 bis 2000 nahezu leer, war dem Vandalismus ausgesetzt. Der bekannte Kölner Circus Roncalli nutzte es für seine Tiere als Winterquartier. Und ging mit Kamel und Co in Spich auf Spendentour. Im Haus Spich wurden damals historisch wertvolle Teile entwendet. Heute ist es in besten Händen. Doch davon später mehr. Zunächst ein Blick zurück in die Geschichte des Hauses.

Historische Funde sollen belegen, dass Spicher um 3800 vor Christus – auch in Pfahlbauten – hier schon gelebt haben. Auch die Römer hinterließen von 100 vor und 350 nach Christus ihre Spuren in Spich. Und sogar einen Brunnen im Keller von Haus Spich. Die Siedlungshistorie prägten die beiden Adelssitze Haus Broich und Haus Spich.

Erste schriftliche Erwähnung im Jahr 1279

Erwähnt wurden sie erstmals im 12. Jahrhundert. Bewegte Zeiten etwa durch Pfändungen, Ehen und Gerichtsstreitigkeiten bescherten den Anwesen namentlich verschiedene Besitzer. Konzentrieren wir uns auf das Haus Spich: 1531 wurde die Familie Hanff Besitzer. 1686 kam es in die Hände des Chorbischofs Johann Baptist de Gramaye. Und der baute die erste Kapelle in Spich, 1705 ging das Haus Spich in den Besitz von Kloster Heisterbach über. Danach übernahm es der Amtsverwalter de Warth von Blankenberg.

Fast 40 Jahre Poststation

Sein Schwiegersohn Carl Gottfried Mappius sorgte dafür, dass von 1722 bis 1761 im Haus Spich eine Postumschlagstelle der Thurn-Taxisschen Post untergebracht war. 1795 geht das Haus in den Besitz der Familien Molckenhauer über. Das Herrenhaus wurde 1866 von den damals in Rheinland präsenten Belgiern (siehe auch Belgisches Viertel in Köln) nach Brandschaden renoviert. Und ging dann an die Familien Engels, Cahn-Marx und Willems. Die Familie Willems verkaufte das Anwesen 1990 an die Stadt Troisdorf. Ein Grund für die wechselnden Namen: Die Erben waren meist Töchter und so tauchten die Namen der Schwiegersöhne als Besitzer auf. Von der Gesamtanlage des Hauses Spich ist nur noch das 1866 neu erbaute Herrenhaus an der Hauptstraße erhalten. Und damit nähern wir uns dem Haus Spich in seiner heutigen Form.

Im Jahr 2000 wechselt Haus Spich den Besitzer

Peter Bazille, familiär geschichtsträchtig vorbelastet, hatte auf der Suche nach einem geeigneten Umfeld für die Restaurierung von Oldtimern – vor allem von italienischen Marken – schon länger ein Auge auf das Haus Spich geworfen. Doch es dauerte über zehn Jahre, bis sein Ansinnen bei wohlgesonnenen Mitglieder der Stadtverwaltung Troisdorf Gnade fand, die Stadt dem Land die Anteile am Haus Spich abluchsen konnte und der frisch gekürte Bürgermeister Klaus-Werner Jablonski als Mann der Tat den Familien Bazille und Fricke unter Auflagen das sehr herunter gekommene Haus überließ. Was die verwandten Peter Bazille und sein Schwager Jochen Fricke seit dem Jahr 2000 aus dem traditionsbeladenen Haus gemacht haben, dass setzt selbst Puritaner, die immer alles alte erhalten wollen, in Erstaunen.

Liebevoll restaurierte Räume und Details

Der Hausherr dazu: "Wir haben am Haupthaus stabilisierende Maßnahmen ergriffen. Im Versammlungsraum wurde ein Stahlträger eingezogen und die Decke etwas abgesenkt. Nicht nur Oldtimer, sondern auch alle Räume wurden restauriert. Das historische Holztor war nicht mehr funktionsfähig. Dazu mussten wir wegen der Baufahrzeuge, die den Innenhof gelangen mussten, den Toreingang vorübergehend verbreitern, die Steine entfernen und anschließend wieder einsetzen. Besonders stolz sind wir auf die historischen Holzböden und die Holz-Wendeltreppe in die obere Etage. Solch ein historisches Gebäude ist nie fertig, man muss ständig ausbessern, pflegen, renovieren."

Im Gewölbekeller war Platz für Wein. Und dort findet sich auch der historische Brunnen, der aus der Römerzeit stammt. Die Kunst war auch, die auf altem Fundament aufgebauten Werkstatträume an die historischen Gebäude anzupassen.

Bemerkenswerte Kreation aus Historie und Oldtimern

Haus Spich ist heute eine einzigartige Mischung aus Historie und stilvollen Räumen für die Arbeit an den Oldtimern. Die Touring-Garage ist weit über die Grenzen hinaus bekannter Spezialist für klassische, alte Modelle. Es werden Edelmarken von Lancia, Bentley bis Zagato restauriert und gewartet. Die profunden Kenntnisse von Peter Bazille bei der Motor-Instandsetzung inklusive der dafür notwendigen Werkzeugmaschinen sorgen auch für spezielle Aufträge renommierter Fahrzeughersteller. Irgendwie muss das historische Gemäuer ja erhalten werden. Warum nicht mit klassischen Automobilen.

Werner Müller

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